Umfangreicher und kompetenter informiert durch Digitalisierung

 12. August 2013

Wolf Schneider schreibt im Spiegel «Ahnungslosigkeit durch Digitalisierung». Genau der Herr Schneider, der Journalisten gern stichelt, wenn sie täglich reitend auf dem Rücken der deutschen Sprache grob gesagt Unsinn verzapfen. Trotzdem hält Wolf Schneider die deutsche Presse nicht per se für schlecht, sondern findet, es ist Zeit sie zu verteidigen. Dass er dabei sich und seinem eigenen Tun widerspricht, merkt er nicht.

Eine gute Zeitung wäre oder vielmehr ist für ihn ein Leuchtturm innerhalb der elektronischen Überinformation. Wir erinnern uns: Keine Publikation war vor seiner Kritik sicher und überall bemängelte er Fehler. Vom kleinen  journalistischen Patzer oder Grammatikpfusch bis hin zu groben Interpretationsfehlern und dadurch entstehende Falschmeldungen. Und diese Medien sollen nun die Wegweiser sein?

Wenn man Wolf Schneiders Bücher liest und/oder sich auch sonst mit offenen Auge durch die Tagespresse wurschtelt, wird doch erst dank der digitalen Überinformation eines ersichtlich: Tageszeitungen sind und waren noch nie richtig in der Lage, ihrer Leserschaft politische und gesellschaftliche Probleme aktuell UND gleichzeitig korrekt sowie allumfassend zu präsentieren. Dieser Umstand wird von Tag zu Tag deutlicher und wegen personeller Kürzungen in den Verlagen noch schlimmer.

Was – sagen wir mal vor 30 Jahren – in der Zeitung stand, musste man glauben. Wusste man es nicht aus erster Hand besser, war man der Presse auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die Zeitungen bestimmten, was wichtig ist, über was berichtet wird und welches Thema besser in einer Schublade landet. Dazu kommt dann die angesprochene Fehlinterpretation von Newsmeldungen und das anscheinend blinde Vertrauen auf staatliche Quellen. Unter Zeitdruck wird nicht hinterfragt, sondern einfach abgedruckt.

 

Wir sind unsere eigenen Journalisten

Doch zurück zu Schneiders Argument der elektronischen Überinformation. Seiner Vermutung nach, kehren wir zu dem Stadium des 17. Jahrhunderts zurück: dem der öffentlichen Ahnungslosigkeit. Bei aller Liebe: Der Mann ist 88 Jahre alt, mag vielleicht viel Erfahrung haben, aber weiß mit dem digitalen Zeitalter anscheinend nichts anzufangen, geschweige denn dessen Technik und Möglichkeiten zu nutzen.

Wir sind alle nämlich unsere eigenen Journalisten geworden. Nachrichten aufbereiten, Hintergrundinformationen sammeln, Meinungen recherchieren… das machen wir doch mittlerweile alles selbst. Händisch oder gesammelt über Feedreader. Aktuelle Meldungen finden ihren Anfang oft in den sozialen Medien und kleinen Blogs und werden dort dank guter Vernetzung schnell verbreitet und landen immer an der richtigen Stelle.

Entgegen der Ansicht der Verleger, gibt es nämlich nicht den einen subjektiven Blog, auf dem man sich über alles informiert. Es gibt hunderte, jeder auf seinem Spezialgebiet ansässig. In einem Koch-Blog werde ich mich schlecht über rechtspolitische Themen informieren, dafür gibt es fundierte Blogs von Anwälten. Bei einem Lebensmittelskandal hat dann wieder der Koch die passenden Infos, von denen ich ausgehen kann, dass er aufgrund seines Berufes deutlich mehr Wissen zu der Thematik besitzt, als ein Journalist.

Und genauso nutzt die Netzgemeinschaft auch Meldungen und Berichte in den Publikationen der einzelnen Verlage. Nicht ausschließlich als  die EINE Wahrheit betrachtend. Sondern sie stehen in einer Reihe mit Blogs, sozialen Medien und Aggregatoren. Die Dynamik und Fülle des Netzes überfordert die Netznutzer also keinesweg. Im Gegenteil. Sie wissen sie nur richtig handzuhaben, stellen Neuigkeiten infrage und vergleichen. Und das ist weit von einer Ahnungslosigkeit entfernt.