• Grafikdesigner Ideenfindung

Warum Grafikdesigner so selten ans Telefon gehen

 15. Dezember 2016

Ich weiß, es treibt einige Auftraggeber in den Wahnsinn. Nur die eine kleine minimale Änderung schnell telefonisch durchgeben und dann geht der ver!%§$&%§/te Grafiker nicht an sein klingelndes Rechteck. Doch das vehemente Ignorieren des Klingeltons beziehungsweise dessen Lautlosstellen hat bei mir einen nachvollziehbaren Grund.

Sobald ich vor einem Design oder Layout sitze, benötige ich keinesfalls absolute Ruhe. Das wird oft missverstanden. Ich bin keine hochsensible Krawallmimose, die nur in umschnürender Stille arbeiten kann. Das einzige was ich benötige, ist eine konstant ablenkungsfreie Arbeitsumgebung. Das kann durchaus Stille sein, lieber ist mir aber laute oder leise Musik, Baustellen- oder Kindergartengeräusche, Großraumbürogebrabbel oder was auch immer. So kann ich mich schnell in Layoutideen verspinnen.

Denn bei Grafikarbeiten wird in der Entstehungsphase eines Design nicht einfach handwerklich so probiert bis es endlich passt; vielmehr entstehen die Ideen im Kopf. An denen hangelt man sich entlang, bis sich eine Vision kristallisiert, die sich mehr und mehr verfestigt.

Was passiert, wenn man Grafikdesigner bei der Arbeit unterbrichtEs setzt eine Art Flow ein, in dem ich getrieben von meiner Idee einfach losarbeite. Der Motor im Kopf dreht auf Hochtouren und liefert auf der Basis immer mehr an Input, der innerlich abgespeichert, oft verworfen aber auch wieder hervorgekramt wird, um dem Ziel näher zu kommen. Es entsteht ein gigantisches auf sich selbst aufgebautes Ideenkonstrukt, auf das ich gedanklich beliebig zugreife, es verändere und die Essenz in mein Layout einfließen las… RRIINNGG!!! RRIINNGG!!

Jetzt wackelt das fragile Konstrukt, es fällt schwer, dessen Stabilität zu wahren, die ersten Elemente verflüchtigen sich und mit einem lautem POFF ist da nur noch Leere. Diese eine erschreckende Leere, die ein Sitzender verspürt, dessen Stuhl weggezogen wurde und der sich in den Sekundenbruchteilen der Schwebe bewusst wird, dass er gleich auf den harten Boden schmettert.

»Ein unangekündigter Anruf bei einem Kreativen kostet den nicht nur wertvolle Arbeitszeit…«

Es gab Zeiten, da bin ich danach völlig entnervt ans klingelnde Telefon gegangen, habe mir maulend halböhrig (und damit wenig Sympathie sammelnd) die Gegenseite angehört, um danach mindestens 30 Minuten zu brauchen, mich wieder in meine Idee reinzufitzen. Zu 99 Prozent eine vergebliche Mühe: Der kreative Fluss ist dahin und das Projekt muss vorerst beiseite gelegt werden.

Ein unangekündigter Anruf bei einem Kreativen kostet den also nicht nur wertvolle Arbeitszeit, sondern zerstört zuverlässig seine Designidee, die so schnell nicht wiederherzustellen ist. Auf Kosten des Auftraggebers, der hörbar die Augen verleiert, wenn er mit der Wahrheit konfrontiert wird: »Ich hatte einfach noch nicht die richtige Idee«. Dasselbe passiert übrigens Webdesignern und Programmierern, die ebensolche komplexen Konstrukte und WasWäreWenn-Code-Denke in ihren Köpfen haben. Einmal von der Seite ansprechen oder ein Telefonklingeln und alles ist im Eimer.

Aus diesem Grund wird vielleicht ein bisschen nachvollziehbar, warum ich meine Telefone während Arbeitsphasen auf lautlos stelle, auch auf Außeneinsätzen übrigens. Es ist kein böser Wille und kein Aussperren. Ich bearbeite zu diesem Zeitpunkt nur ablenkungsfrei ein Projekt, deren Fertigstellung ich nicht gefährden lassen möchte. Deshalb konzentriere ich meine geschäftliche Kommunikation ausschließlich auf den E-Mailverkehr. Hier schaue ich regelmäßig rein, antworte deutlich zügiger (auch von unterwegs) oder treffe mich persönlich. Ablenkungsfrei und zu 100% auf den Auftraggeber und seine Projekte konzentriert.