Dass Gestalter plötzlich in ihren eigenen Slang verfallen, daran haben sich die Kunden gewöhnt. Wortungetüme wie CI, Design, Usability oder Serifen werden wie selbstverständlich genutzt und sorgen kaum für fragende Gesichter. Verwendet man in diesem Zusammenhang jedoch das Wort Grotesk, erntet man gerade bei jüngeren Auftraggebern rätselnde Mimen. Denn die Bezeichnung hat schon ganz paar Jahre auf dem Buckel.
Im frühen 19. Jahrhundert wuchs der Bedarf an frischeren Schriften. Gewöhnlich waren bisher Buchstaben mit Serifen, die sich aus den handgeschriebenen ableiteten. Dementsprechend verwandte man für sie den Begriff Antiqua. Die typische Buchschrift eben, wie man sie bis heute kennt. Garamond oder Times zum Beispiel.
Werbetreibende waren von diesen Schriften jedoch gelangweilt. Reklame, Schilder und Laden-Beschriftung sollte ja auffallen, individuell sein und nicht aussehen, wie die des Nachbar-Geschäftes.
Aus dieser Idee heraus wurde eine «glatte» Schriftart entwickelt, der nicht nur die Zipfel an den Buchstabenenden fehlten: die deutlich kantigere Form ließ sich wegen der klareren Linien und gleichbleibenden Strichstärk sehr viel leichter vom Schildermaler umsetzen.
In der Allgemeinheit wurde diese neue Art der Drucktype mit Verwunderung und Argwohn aufgenommen. Wie alles Neue wurde es kritisch beäugt und als befremdlich und bizarr wahrgenommen. Sie erschien vielen schlicht und einfach grotesk, was sich mit der Zeit als gängige Bezeichnung eingebürgert hat.
Später, zu Zeiten des Computerzeitalters, verlor der Begriff zunehmend an Verwendung, da am Bildschirm serifenlose Schriften die eindeutig bessere Figur machen. Die da etwas kontraproduktive Bezeichnung Grotesk wurde schnell in «Sans Serif» geändert und hat bis heute Bestand. Eine der ältesten Grotesk-Schriften ist übrigens die Akzidenz Grotesk, die – wie auch die später folgenden Helvetica, Gill Sans oder Futura – bis heute genutzt und weiter entwickelt werden.